Benjamin Patterson: »String Music« (1960)

Coverpartitur der field notes #26

1. März 2022 | Lisa Benjes

Benjamin Patterson: »String Music« (1960)
©Dr. Barbro Patterson, Milovan Destil Markovic und Benedikt Stegmayer.

Benjamin Patterson (1934–2016) war ein amerikanischer Künstler und Musiker sowie Mitbegründer der Fluxus-Bewegung in den 1960er Jahren. Während andere mit Fluxus assoziierte Persönlichkeiten noch heute den meisten ein Begriff sind, gerieten Pattersons Beiträge über die Zeit in Vergessenheit. In den letzten Jahren gibt es allerdings Anzeichen dafür, dass seine Arbeit schließlich die verdiente Würdigung erfährt.

Nachdem dem klassisch ausgebildeten Kontrabassisten Patterson als Schwarzer Musiker eine Anstellung bei einem großen US-amerikanischen Symphonieorchester verwehrt wurde, spielte er zunächst in Kanada in verschiedenen symphonischen Formationen und zog 1960 nach Köln, um in der radikalen zeitgenössischen Musikszene aktiv zu werden. Dort arbeitete er eine kurze Zeit mit Stockhausen und machte bald die Bekanntschaft von u.a. Nam June Paik, John Cage, Merce Cunningham, David Tudor, Wolf Vostell, Mary Bauermeister, deren Lesungen und Konzerte »Neuester Musik« (Neo-Dada) zur Grundlage der späteren Fluxus-Bewegung wurden. 

Seine anweisungsbasierten Werke bezeichnete Patterson als »Kompositionen für Aktionen«. Den grafischen Partituren fügte er Texte bei, die die Handlung im Detail vorgeben, sodass jede*r der Anleitung folgen konnte. »String Music« (1960) gehört neben dem legendären »Paper Piece« (1960) zu einem seiner ersten Werke. Es kann – flexibel besetzt entweder als Solo, Duett oder mit Streichorchester – sowohl von links nach rechts wie umgekehrt gespielt werden. Die Buchstaben A, B, C, D, E, F, G in den Kreisen sind Töne, die in einer beliebigen Oktave angeordnet werden können. Ein schwarzer Kreis wiederum zeigt eine Pause an und die Größe eines Kreises bestimmt entweder die Dauer oder Lautstärke eines Geräusches. Vokalgeräusche, insbesondere Aspirations- oder Kehlkopflaute, eignen sich laut Patterson besonders gut: hisssss, shhhhh, Ääääää, KgKgKgKgKg, ffffff … Aufführungen mit Zuspiel oder unter der Hinzunahme elektronischer oder mechanischer Verfremdungseffekte sind ebenfalls möglich.

Wirtschaftliche Zwänge und nicht zuletzt seine Enttäuschung über die unpolitische Haltung seiner Fluxus-Kolleg*innen führten zu einem Rückzug aus der Kunstwelt. In dieser Zeit engagierte er sich intensiv für die Schaffung neuer kultureller Infrastrukturen für Künstler*innen of Colour. 

Eine Reihe von Archivveröffentlichungen und Retrospektiven u.a. im Contemporary Arts Museum Houston 2010 sowie im Studio Museum in Harlem und Wiesbaden holen das substanzielle Lebenswerk des Komponisten, Performers und bildenden Künstlers wieder stärker ins öffentliche Bewusstsein. Nicht zuletzt gibt es bei der diesjährigen MaerzMusik Gelegenheit, in Form von Konzerten, Performances, Vorträgen und Filmen mehr über Ben Patterson zu erfahren.

Mit Dank an Dr. Barbro Patterson, Milovan Destil Markovic und Benedikt Stegmayer.

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