Interview: No Borders Orchestra

field notes #13

1. September 2019 | Redaktion, No Borders Orchestra

Orchester auf Brücke in Ljubljana

Erklärtes Ziel des No Borders Orchestra (NBO) ist neben der künstlerischen Qualität nicht weniger als die Dekonstruktion von Stereotypen und die Überwindung von Nationalismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Vor dem Konzert in Berlin sprachen wir mit dessen Dirigenten und künstlerischen Leiter Premil Petrović.

field notes: Das NBO vereint Musiker*innen aus allen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien. Wie artikulieren sich die unterschiedlichen wirtschaftlichen, kulturellen und religiosen Hintergrunde der einzelnen Ensemblemitglieder?

Premil Petrovic: In dem kleinen Gebiet des ehemaligen Jugoslawien gibt es eine unglaubliche Vielfalt an Temperamenten und Mentalitäten. Gerade die Einheit der Vielfalt und die Vielfalt der Einheit machen das Ensemble aus. Das spiegelt sich auch klanglich wider. Unsere Region war so lange von Angst vor dem Anderen und Hass geprägt. Das NBO stellt sich diesen Kräften, und zwar mit Freude! Diese sicht- und hörbare Freude am Zusammensein ist das soziale Engagement des NBO.

field notes: Das Konzert in Berlin ist der Endpunkt einer Tour. Wo werdet Ihr spielen und auf welche Station freut Ihr Euch besonders? 

Premil Petrovic: Vor Berlin spielen wir auf dem westlichen Balkan in Montenegro, im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, Slowenien, Kroatien und Serbien. Für mich ist der Auftritt in Prizren im Kosovo aufgrund des offenen Konflikts zwischen Serben und Albanern von besonderer Bedeutung. Der Konflikt hat sich erst in den letzten Jahren verschärft. Schon im ersten Jahr des Ensembles trafen sich serbische und albanische Musiker*innen und wurden schnell Freunde. Aufführungen in Gebieten, die von offenen Konflikten oder kalten Bürgerkriegen geprägt sind, zeigen, wie Menschen zusammen sein können und was diese Gemeinsamkeit bewirken kann.

field notes: Wie steht es um den Dialog zwischen den einzelnen Musikszenen der Regionen?

Premil Petrovic: Während der Kriege der 1990er Jahre wurde das ehemalige Jugoslawien zersplittert, sodass die einzelnen Lander nur wenig oder keinen Kontakt untereinander hatten. Bis heute besteht leider wenig Dialog zwischen den unterschiedlichen Kulturszenen. Komponist*innen kennen die Werke ihrer Kolleg*innen aus dem Nachbarland nicht. Die Idee hinter ≫B Matinee≪ ist es, jüngere Komponist*innen zusammenzubringen, Raum für den Austausch zu schaffen und ihre Werke überregional zu präsentieren.

field notes: Was bedeutet es für Euch, den Sitz des Orchesters in Berlin zu haben?

Premil Petrovic: Berlin ist nicht nur eines der weltweit wegweisenden Zentren für klassische Musik, sondern hat auch einen starken Symbolcharakter: Hier ist es gelungen, die zwei repressivsten Systeme des 20. Jahrhunderts – Faschismus und Kommunismus – zu überwinden und zu einem der freiesten und liberalsten Orte der Welt zu werden. Der Fall der Berliner Mauer inspiriert uns, die äußeren und inneren Mauern einzureisen.

field notes: Das Konzertprogramm besteht aus stilistisch sehr unterschiedlichen Werken einer jungen Komponist*innengeneration des Westbalkans. Wie habt Ihr die Auswahl getroffen?

Premil Petrovic: Als Dirigent bin ich vor allem in der zeitgenössischen Musikszene der Region aktiv. Die Arbeit verschafft mir einen guten Überblick über die sehr unterschiedlichen musikalischen Welten, die auf dem kleinen Raum des westlichen Balkans existieren. Das Projekt arbeitet gerade diese stilistische Vielfalt heraus. Die Stile variieren von modernistisch bis postmodernistisch, von minimalistisch bis akademisch, von popbeeinflusst bis zu zeitgenössischem Hardcore. Die Kompositionen der ≫B Matinee≪ sind inspiriert vom innovativen Sound des Berghain und der Freiheit als Lebensstil, die diese Institution repräsentiert. Aus sieben Ländern, die einmal eins waren, aus einer Stadt, die einmal zwei war, macht NBO Musik, die neue Wege und Möglichkeiten feiert.

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