»Wir werden immer älter, aber die Musik bleibt jung!«

Das ensemble mosaik über seinen 25. Geburtstag und »Klanggutkatalog«

1. November 2022 | Redaktion

ensemble mosaik
©(c) Kai Bienert

Das ensemble mosaik feiert bereits seit Mitte des Jahres seinen 25. Geburtstag mit der Reihe »Klanggutkatalog«, deren nächste Ausgabe am 14. Dezember mit »Augmented Instruments« im Kesselhaus in der Kulturbrauerei stattfindet und die im Februar 2023 mit »Autonome Musik« ebendort ihren Abschluss findet. Obwohl Abschluss vielleicht der falsche Begriff ist. Denn der »Klanggutkatalog« führt bisherige Konzertserien des Ensembles weiter und ist damit nicht allein als Rück-, sondern genauso als Ausblick zu verstehen. Die künstlerische Leiterin und Flötistin Bettina Junge und Oboist Simon Strasser blicken auch im Gespräch nicht nur zurück, sondern ebenso nach vorne.

Wie hat sich das Ensemble Mosaik gegründet?

Junge: Wir haben einander immer wieder im Kontext der Hochschule der Künste getroffen und miteinander gearbeitet. Es waren immer dieselben Leute dabei und irgendwann kam der Gedanke auf, ein Ensemble zu gründen, das auch außerhalb der Hochschule aktiv sein würde. Anfangs haben wir die Semesterkonzerte gestaltet und mit den Kompositionsstudent*innen zusammengearbeitet. Das war sehr wichtig, weil wir so viele Kontakte knüpfen konnten – mit Sergej Newski oder Enno Poppe etwa, der kurz darauf als Mitglied zu uns stieß. Mit vielen dieser Komponist*innen arbeiten wir heute noch zusammen. Wir wollten unseren eigenen Rahmen gestalten, eigene Projekte umsetzen und selbst entscheiden, mit wem wir zusammenarbeiten. Zu dieser Zeit gab es in Berlin noch nicht viele Ensembles für zeitgenössische Musik. Das hat uns viel Raum gegeben, uns zu entwickeln. Wir waren von Anfang an sehr vielseitig, ein Mosaik eben! Das ist auch immer noch so. Es kann schwierig sein, stellt aber die Lebensader des Ensembles dar. Ich denke, dass wir trotzdem ein Profil entwickeln konnten.

Die Vielseitigkeit spiegelt sich auch in den sehr unterschiedlichen Hintergründen eurer Mitglieder wider, von denen sich viele zwischen den Kunstformen und Genres bewegen.

Strasser: Verbindungen zu schaffen, war definitiv immer schon immer eine unserer Interessen.

Junge: Wegen unserer unterschiedlichen Interessen findet das sowieso statt, wir arbeiten aber auch manchmal gezielt darauf hin. Ein Beispiel wäre die Reihe »Kommentierte Musik«, für die wir bewusst mit Künstler*innen aus anderen Sparten zusammengearbeitet haben, ein anderes das Projekt »Synthetics«, für das wir über die Grenzen der komponierten Musik hinausgegangen sind, um uns an andere Genres heranzutasten.

Dennoch hat sich eure Besetzung im Laufe dieses Vierteljahrhunderts nur wenig verändert. Was macht euer Miteinander aus?

Strasser: Die Wertschätzung der Unterschiedlichkeit! Genau die hat uns zueinander geführt, aber nie auseinander getrieben. Wir haben uns immer füreinander interessiert.

Junge: Mit so vielen Instrumenten, unterschiedlichen Menschen und verschiedenen Ideen eröffnen sich in der gemeinsamen Arbeit sehr viele Möglichkeiten. Wir haben Eigenproduktionen, in denen wir als ganzes Ensemble auftreten, aber auch viele andere Konzerte mit kleineren Besetzungen wie Klavier- oder Bläsertrios.

Zentral ist auch die Zusammenarbeit mit Komponist*innen, wobei ihr mit Progetto Positano auch ein eigenes Stipendium gegründet habt. Welche Rolle spielt für euch die Nachwuchspflege?

Strasser: Das ist ein fester Bestandteil unserer Arbeit.

Junge: Es hat uns immer viel Spaß gemacht, mit der jüngsten Generation von Komponist*innen zusammenzuarbeiten. Wir sind ja selbst 25 Jahre gealtert! (lacht)

Strasser: Wir werden immer älter, aber die Musik bleibt jung! (lacht)

Auch technologische Entwicklungen haben euch immer wieder neue Impulse gegeben. Was reizt euch daran?

Junge: Wir können unsere instrumentalen Möglichkeiten erweitern. Wir haben in dieser Hinsicht schon von Anfang an sehr viel ausprobiert, was nicht zuletzt Orm Finnendahl zu verdanken ist. Zum Glück haben wir mittlerweile sehr viel Equipment angesammelt und müssen nicht mehr so viel mieten. Unser Projekt »Keys Only« entstand zum Beispiel aus unserer Arbeit an Ennos Stück »Rundfunk«, mit dem wir durch Europa getourt sind. Wir hatten die Keyboards, die Lautsprecher, die Rechner und haben weitere Werke in Auftrag gegeben. Wir möchten das auch gerne weiterverfolgen.

In Bewegung bleibt ihr auch mit »Klanggutkatalog«. Wieso begeht ihr das 25. Jubiläum ausgerechnet auf diese Art und Weise?

Junge: Wir haben Konzertkonzeptionen aus den vergangenen 25 Jahren aufgegriffen, daran angeknüpft und sie weiterentwickelt. Wir verbinden unser Repertoire mit neuen Projekten – jedes der Konzerte bietet eine Uraufführung. Das Format ermöglicht uns einen Rückblick, aber auch einen Ausblick.

Auf Konzertreihen lag bei euch schon immer ein besonderer Schwerpunkt. Woher rührt euer Interesse an der Serialität?

Junge: Das Reihenformat bietet einen Anknüpfungspunkt, von dem aus dem Publikum ein breites Spektrum eröffnet wird. Zugleich macht die Kontinuität die Themen greifbarer, obwohl jedes Konzert streng genommen auch unabhängig von der jeweiligen Reihe funktioniert. Der übergeordnete Rahmen fügt den Konzerten einen weiteren Aspekt, einen neuen Blickwinkel hinzu.

Strasser: Es geht auch um Präsenz in einer Stadt, in der unglaublich viel passiert. Ein gewisser Wiedererkennungswert hilft natürlich dabei, aufzufallen.

Reihen ermöglichen einerseits eine Vertiefung von Themen, andererseits langfristige ästhetische Entwicklungen. Im Dezember widmet ihr euch den »Augmented Instruments«. Worauf liegt dabei euer Fokus?

Junge: Ernst Surberg hat ein Programm entwickelt, das es den Instrumentalist*innen ermöglicht, den Klang live selbständig zu erweitern, zu steuern und zu projizieren.

Strasser: Den Musiker*innen sollten damit mehr Möglichkeiten gegeben werden. Es hat uns viel flexibler gemacht und stellt eine unglaubliche Erweiterung des jeweiligen Instruments dar. Das hat sich von Konzert zu Konzert immer weiter entwickelt, das Tool verwenden wir weiterhin.

Junge: Für das »Klanggutkatalog«-Konzert haben wir Stücke ausgewählt, die Elektronik einbeziehen und an unsere sehr vielseitigen Erfahrungen damit anknüpfen.

So ein Werkzeug verleiht euch jeweils mehr Autonomie und dieses Stichwort führt uns zum letzten Konzert dieser Serie von Serien: »Autonome Musik« bildet im Februar den Abschluss.

Junge: Für diese Reihe gab es am Anfang den starken Wunsch, ohne viel theoretischen Überbau einfach nur Stücke zu spielen, die wir unbedingt umsetzen wollten. Andererseits wollten wir mit der Reihe auch die Rolle der Musiker*innen reflektieren und haben die Ensemblestücke mit Performances kontrastiert: Zwischen den Stücken wurden Miniaturen aufgeführt, die wir in Auftrag gegeben haben. In denen treten die Musiker*innen nicht als Teil des Klangkörpers im Ensemble auf, sondern stehen alleine auf der Bühne, sodass auch der Mensch hinter dem Instrument thematisiert wird. Diese Miniaturen fehlen zwar beim fünften »Klanggutkatalog«-Konzert, den Ensemblestücken von Francesca Verunelli und Andreas Dohmen wird aber auch Rebecca Saunders’ Collage »murmurs« nebenan gestellt. In der agieren die Musiker*innen nicht geschlossen als Ensemble, sondern verteilen sich über den Raum. Insofern handelt es sich um auskomponierte Soli und Duos, die zu einer Architektur zusammengeführt werden.

Wiederum ein Mosaik! Welche Pläne schmiedet ihr für die Folgezeit?

Junge: Wir wollen mit »Keys Only« weiterarbeiten und haben Austauschprojekte zwischen Berlin, Manila und Bangkok geplant. Das Projekt »Echoes of Cultural Localizations« mit Kompositionen von Anothai Nitibhon, Jonas Baes und Liza Lim mit dem Sheng-Spieler Wu Wei geht dem voraus, weil es das Ineinandergreifen verschiedener Kultur widerspiegelt. Das möchten wir interkulturell in Zusammenarbeit mit lokalen Tänzer*innen und Komponist*innen weiterentwickeln.

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